Extreme Kunst - Ein unvergesslicher Besuch
Der Besuch der Ausstellung von Marina Abramović im Kunsthaus Zürich war für mich eine tiefgreifende Erfahrung, die viele Emotionen in mir hervorrief. Die Ausstellung begann auf eine ganz besondere Weise: Zwei nackte Menschen, eine Frau mittleren Alters und ein Jugendlicher, standen regungslos im Türrahmen und blockierten den Weg. Beim Versuch, mich vorbeizudrücken, stellte ich fest, wie intensiv ihr Blickkontakt war. Sie schienen sich nur noch in die Augen zu sehen. Es war fast so, als ob man in ihrem inneren Dialog, in ihren Gedanken, lesen konnte.
Während ich mich vorbeiquetschte, stellte Marina eine Frage: "Zu wessen Seite würdest du dich wenden, wenn du durch den schmalen Spalt eintreten würdest?" Instinktiv entschied ich mich, die Frage zu beantworten. Schon dieser erste Moment war voller Intensität und ließ mich über meine eigenen Reaktionen nachdenken.
Besonders beeindruckend war der Tisch mit den Utensilien aus Abramovićs berühmtester Performance, „Rhythm 0“. Mit foglenden geschriebnene Worte hatte sie die Oberhand übersich freigegeben: Anweisungen
.Auf dem Tisch sind 72 Gegenstände,
die man an mir, wie gewünscht, anwenden kann.
Aufführung.
Ich bin das Objekt. Während dieses Zeitraums übernehme
ich die volle Verantwortung.
Dauer: 6 Stunden (20 bis 2 Uhr).
Bei dieser Performance stellte sie sich sechs Stunden lang den Menschen aus, ohne sich zu wehren. Sie ließ sich von den Zuschauern körperlich verändern, kleiden, sogar ihre Haare wurden ihr abgeschnitten. Die Menschen reagierten zunehmend aggressiver, schnitten ihr mit Messern und entblößten sie. In einem erschreckenden Höhepunkt hielt ein Mann ihr schließlich eine geladene Waffe an die Brust und ließ sie mit ihrem eigenen Finger den Abzug ertasten. Es war ein erschreckendes Experiment, das die dunklen Seiten menschlicher Natur offenlegte.
Marina Abramović geht es immer darum, die physischen und psychischen Grenzen des Körpers zu testen. Eine weitere Performance, die mich tief beeindruckte, war ihr 36-minütiges Schreien, bis sie ihre Stimme verlor. Ihre Kunst führt den Zuschauer an die extremsten Ränder von Schmerz und Ausdauer.
Besonders in einem weiteren Teil der Ausstellung, der sich mit Kristallen befasste, fand ich mich in einer fast hypnotischen Welt wieder. Die Vorstellung, dass Kristalle mit bestimmten Energien aufgeladen sein könnten, zog mich völlig in ihren Bann.
Aber auch der neue Abschnitt der Ausstellung, den Marina speziell für Zürich konzipiert hatte, war einzigartig. Ich musste mein Handy und meine Uhr in ein Schließfach legen, bekam schalldichte Kopfhörer und einen wunderbaren Blick auf die Silhouette von Zürich. Ich fühlte mich für einen Moment von der Welt abgeschnitten und konnte mich vollkommen auf die Aussicht und meine Gedanken konzentrieren. Als der Himmel langsam dunkel wurde, hörte ich durch die Kopfhörer hin und wieder Marinas Schreie aus ihrer früheren Performance. Die Wirkung war überwältigend.
Abschließend kann ich sagen, dass Marina Abramović für mich eine der größten Künstlerinnen der Gegenwart ist. Ihre Arbeiten sind herausfordernd, intensiv und tiefgründig. Wenn ich in ihre Gedankenwelt eintauchen könnte, würde ich dies ohne Zögern tun.

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